Ermöglichungspädagogik Axiome
- Axiome (Basisannahmen) der Ermöglichungspädagogik (EP):
- Es gibt außerhalb meiner Person eine Realität bzw. viele mögliche andere Realitäten, die mir teilweise unzugänglich sind.
- Es gibt mindestens drei unterschiedliche (Erlebnis-)Welten in denen ich mich bewege: die Körperwelt, die Dingwelt und geistig-psychische Welt.
- Für alle diese Welten gilt die Konstante der Veränderung (vgl. Heraklid/Stoiker). Mit der Veränderung geht meine Verletzlichkeit (Vulnerabilität) einher. Denn alles Veränderbare wird bei dem Versuch, es zu etwas Beständigem bzw. Dauerhaften zu machen, zerbrechlich und letztendlich vernichtet. Veränderungen verlangen die Fähigkeit des Umgangs mit Möglichkeiten.
- Die durch mein Gehirn konstruierte und von mir erlebte Welt (innere Welt) ist die einzige, die mir direkt zugänglich ist. Ich kann nicht aus ihr heraustreten und sie von außen betrachten. Ich kann sie jedoch an den Grenzen meiner inneren Welt in Kontakt mit den mich umgebenden Welten, in rückmeldende (responsive) Verhältnisse und Beziehungen bringen. z. B.: Ich schlage mit dem Kopf gegen die Wand; ich berühre Dich aus meinen Empfindungen heraus; ich erzähle Dir, was ich denke.
- Die Setzung der Axiome der EP begrenzt Ermöglichungspädagogik selber, deshalb müssen diese immer wieder auf den Menschen und die Welt bezogen hinterfragt werden. Immer dann, wenn sie zur Reduzierung der Erkenntnis- und Handlungsmöglichkeiten führen, sind dieses zu verändern. Ihre Funktion liegt in der Ermöglichung von Grenzerfahrungen gegenüber anderen Theorien und Handlungskonzepten.
- Die Wahrnehmung dessen, was mich umgibt, also auch die Wahrnehmung des Verhaltens meines Gegenübers entspricht nicht zwangsläufig der Realität. Z.B.: „Das es so scheint, bedeutet nicht, dass es so ist“ (vgl. Wittgenstein) – Es ist und bleibt meine Wahrnehmung (besser Wahrgebung) und kein Abbild der Realität.
- Es gibt keine absolut gültige Wahrheit, außer die aus dem Kontakt und der Beziehung entstehende.
- Nicht die Außenwelt bestimmt meine innere Welt und Wirklichkeit, sondern meine Erfahrungen (aus dem sensorischen und kognitiven Gedächtnis), meine Konstruktionen und zugleich und zukünftig meine Erwartungen. Erwartungen sind der Impuls und zugleich Weg meines Handelns. Die Veränderungen meiner Erwartungen sind meine Möglichkeiten im Kontakt mit der Welt und den Menschen.
- Die Fähigkeit der inneren Konstruktion unabhängig von außen bestehenden Realitäten (und z.T. auch Möglichkeiten) befähigt mich neue Möglichkeiten zu entwickeln. Sie liefern die wundervollen Möglichkeiten, sich von der Alltagswelt zu entfernen und in abstrakte Welten zu begeben, die nicht nur Kunstwerke hervorbringen kann, sondern die „Magie“ der entwicklungsfreundlichen Beziehung zu den anderen Menschen hervorbringt.
- Meine in sich geschlossene Wahrnehmung, das mit ihr einhergehende Körpergefühl und mein Denken sind für mich der einzige Weg zu den Dingen und Menschen um mich herum. Sie sind weder schlecht noch gut. Sie sind der einzige Weg des Kontaktes mit der Welt um mich herum. Diese stellen meine Grenze an Möglichkeiten dar.
- Die Bewusstmachung (Verstehensprozess) dieser drei Prozesse ermöglicht mir die Annäherung an das mich umgebende zunächst in mir selbst, mit der Gewissheit, dass es viele andere Möglichkeiten gibt.
- Das Verstehen bzw. die Bewusstmachung ist der für mich sinnvollste (und einzige) Weg, um zu einer Handlung bzw. einem Verhalten gegenüber den Dingen und Menschen zu kommen, wenn ich ihnen nicht automatisch (funktional), sondern wahrnehmungs- und erfahrungsoffen gegenüber treten will. (Responsives Handeln)
- Mein Vorgehen ist zu dem Zeitpunkt nur eine von vielen Möglichkeiten, die nur begrenzte Möglichkeiten schafft und andere ausschließt bzw. verhindert. Die von mir gegebenen Möglichkeiten liegen in meiner Verantwortung. Die daraus genutzten Möglichkeiten entziehen sich meiner Verantwortung.
- Jede von mir erdachte und gegebene Möglichkeit muss mir und meinem Gegenüber weitere Möglichkeiten bieten und darf nicht zur Erstarrung, Verletzung, Verhinderung von Teilhabe bis hin zum Tod führen.
- Ermöglichungspädagogik geht es nicht um Erziehung zum oder Arbeiten am Menschen, sondern um Beziehung zwischen und Arbeiten mit Menschen. Die Beziehung erhält dabei durch die unterschiedliche Valenz (Wertigkeit) und Seinsformen der Beziehungspole ihre Gestalt.
- Ermöglichung ist ein lebendiger, sich stetig verändernder Prozess, der niemals endet oder ein primäres Ziel außerhalb seiner selbst hat. Damit ist das Prinzip der Ermöglichungspädagogik allein die Ermöglichung von Selbstveränderung und der Kontaktgestaltung zu den mit mir in Beziehung stehenden Menschen. (Jk 05.01.2022)
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